Autofreie Innenstädte: Kann das funktionieren?

Agenda 2030 | 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung:

In Ballungszentren geht es oft langsam voran. Staus und lange Wartezeiten aufgrund überfüllter Straßen gehören vielerorts zur Tagesordnung. Städte befassen sich deshalb zunehmend damit, wie sie das Verkehrsaufkommen reduzieren können. Welche potenziellen Lösungsmöglichkeiten gibt es dafür? Und wie bewähren sich die Ideen in der Praxis? Eine Zusammenfassung zum „Internationalen Autofreien Tag“ am 22. September.  

Nahezu alle Großstädte auf der Welt ächzen unter dem zunehmenden Verkehr. Allein in London standen Autofahrer*innen im Jahr 2022 durchschnittlich 156 Stunden im Stau. Die Plätze dahinter belegen Chicago mit 155 und Paris mit 138 Stunden Zeitverlust im Berufsverkehr. Dies geht aus einer Analyse des Verkehrsdienstleisters Inrix hervor, bei der das Stauaufkommen in mehr als 1.000 Großstädten in 50 verschiedenen Ländern untersucht wurde.

Deutsche Städte rangieren in dieser Rangliste im Mittelfeld. In München brauchten Autofahrer*innen die meiste Geduld. Insgesamt kam es dort im Schnitt zu 74 Stunden Verzögerung. Es folgen Berlin, Hamburg und Potsdam. Was auffällt: Im Vergleich zum Jahr 2021 sind in acht der zehn staureichsten Städte Deutschlands die Wartezeiten deutlich gestiegen. Die Analyst*innen begründen dies unter anderem damit, dass sich die Zahl der zurückgelegten Fahrzeugkilometer an Wochentagen um etwa ein Fünftel gegenüber der vorherigen Erfassung erhöht hat. Viele Städte können dieses Verkehrsaufkommen nicht mehr aufnehmen. Es kommt zu überfüllten und verstopften Straßen und in weiterer Folge zu Staus.
 

Trotz Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und dem Ziel einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung bleibt das Auto für einen Großteil der Bevölkerung in Deutschland das bevorzugte Fortbewegungsmittel. Dies belegen auch die Ergebnisse einer vom „Center of Automotive Management“ in Bergisch Gladbach durchgeführten und im Sommer 2022 veröffentlichten Umfrage. Mehr als 40 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass sie auf das Auto angewiesen sind. Weitere 27 Prozent halten den eigenen Pkw für „sehr wichtig“.

Weniger Verkehr, mehr Lebensqualität

In den Städten findet allerdings mehr und mehr ein Umdenken statt. Jahrzehntelang standen bei der Planung von Verkehrswegen und Parkmöglichkeiten die Bedürfnisse von Autofahrer*innen im Vordergrund. Nun arbeiten Verkehrsplanende verstärkt an zukunftsfähigen Mobilitätskonzepten, die eine geeignete Alternative zum Auto darstellen sollen. Das Ziel: weniger Verkehr in Innenstädten und damit weniger Lärm, Abgase, Feinstaub und andere Schadstoffe, die die Lebensqualität beeinträchtigen. 

Ein Instrument, das häufig diskutiert wird und mancherorts zum Einsatz kommt, sind autofreie Zentren und Wohngebiete. In Barcelona und Ljubljana zum Beispiel sind einzelne Bezirke für den Durchgangsverkehr gesperrt. Auch in Deutschland gab es bereits einige Pilotprojekte. In Mannheim etwa war die Hauptverkehrsachse durch die Innenstadt für Fahrzeuge ein Jahr lang nicht passierbar. Die Stadtverwaltung wollte damit mehr Platz für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen schaffen und die Aufenthaltsqualität durch Außengastronomie und andere Freizeitangebote steigern. Bürgermeister Ralf Eisenhauer bewertete die Testphase zwar als Erfolg und sieht in diesen verkehrsberuhigten Zonen Potenzial, doch im Frühjahr 2023 beendete die Stadt den Versuch. Viele Einzelhändler*innen mussten Umsatzeinbußen hinnehmen und hatten daraufhin mit Klagen gedroht.

Autofreie Zonen: Verkehrsaufkommen legt sich auch in angrenzenden Straßen

Das Beispiel aus Mannheim zeigt, wie umstritten solche Maßnahmen mitunter sind. Kritiker*innen von autofreien Stadtteilen argumentieren außerdem häufig, dass der Verkehr nicht abnimmt, sondern sich auf angrenzende Straßen verlagert und es dort zu Staus kommt. Dieses Szenario tritt in der Praxis allerdings kaum ein, wie das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) anhand einer Auswertung von 30 Pilotprojekten in europäischen Städten kürzlich ermittelt hat. 

Das Gegenteil ist sogar der Fall: In Innenstädten geht der Verkehr im umliegenden Straßennetz zwischen 25 und 69 Prozent zurück. Die Forscher*innen kommen deshalb zu dem Schluss, dass autofreie Zonen die gewünschte Wirkung entfalten können. Zudem gewinnt der Radverkehr an Stellenwert. Häufig sind Radfahrende im dichten Verkehr auf schmalen, farbig markierten Schutzstreifen am rechten Fahrbahnrand unterwegs. Die fehlende bauliche Trennung zwischen Auto- und Radverkehr und damit auch fehlende Sicherheit schreckt viele ab, im Alltag auf das Fahrrad umzusteigen – zumal Radwege teils an Kreuzungen enden oder von parkenden Fahrzeugen oder Mülltonnen blockiert werden.

Fehlte es einem Großteil der Bevölkerung in den zurückliegenden Jahren noch an Akzeptanz, den Autoverkehr aus Innenstädten zu verbannen, so scheint sich der Trend derzeit umzukehren. Jüngsten Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Energie-Agentur zufolge wünschen sich mehr als 60 Prozent der Befragten für die Zukunft autofreie Städte in Deutschland und damit ein Plus an Lebensqualität.

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