Siegel Gletscherschmelze lässt Europas Wasserreserven schwinden

Fehlender Schneefall, zu hohe Temperaturen und Saharastaub – all das machte den Alpengletschern im Sommer 2022 massiv zu schaffen. Sie schmolzen daher deutlich schneller als in den Jahren zuvor. Der Internationale Tag der Berge am 11. Dezember 2023 macht unter anderem auf die Folgen der zunehmenden Gletscherschmelze aufmerksam.     

Passiert so etwas in Zukunft häufiger? Auf der Nordseite der Marmolata, dem höchsten Berg der Dolomiten, löste sich im Juli 2022 ein zweihundert Meter breiter Block des Gletschers. Die Eis- und Schneemassen stürzten zusammen mit tonnenweise Geröll ins Tal. Die Ursache für den Gletscherabbruch ist zwar bislang noch ungeklärt. Doch einiges deutet darauf hin, dass der Klimawandel eine Rolle gespielt haben dürfte. Denn eine Hitzewelle in Norditalien sorgte dafür, dass selbst in den kühleren Alpen ungewöhnlich hohe Temperaturen herrschten. Auf dem über 3.300 Meter hohen Gipfel der Marmolata überstieg die Temperatur am Tag des Unglücks zehn Grad Celsius – ein Rekordwert.

Alpengletscher schmelzen im Rekordtempo

Fakt ist: Die globale Erderwärmung macht auch vor den Alpengletschern nicht Halt. Im Gegenteil – sie schmolzen im letzten Sommer so schnell wie nie zuvor. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist der Hintereisferner. Der im Ötztal gelegene Gletscher gehört zu den am besten untersuchten Gletschern der Alpen. Seit 1952 gibt es durchgehende Messungen zu seiner Größe. Der Hintereisferner verlor im Jahr 2022 fünf Prozent seines Gesamtvolumens. Laut Forscher*innen der Universität Innsbruck entspricht diese Menge etwa 20 Millionen Kubikmeter Wasser – so viel wie die Stadt Innsbruck in 20 Monaten an Trinkwasser verbraucht. Aktuell bedeckt der Gletscher eine Fläche von circa sieben Quadratkilometern. Doch Schätzungen zufolge wird er in zehn bis 20 Jahren nur noch halb so groß sein.

Der Rückgang der Gletscher lässt sich auch am größten Gletscher Österreichs beobachten. Die sogenannte Pasterze am Fuße des Großglockners schrumpfte in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in der Länge als auch in der Dicke sukzessive zusammen. Letztes Jahr verlor sie mehr als 40 Meter an Länge. Für dieses Jahr sind 50 bis 70 Meter vorhergesagt. Ähnlich gestaltet sich die Lage in anderen Hochgebirgsregionen – egal ob in Europa, Asien oder Südamerika. Wo vorher Eis und Schnee zu sehen waren, sind vielerorts nur noch Schutt und Geröll übriggeblieben.

 

Wenig Schnee – wenig Schutz

In den Alpen führte eine Kombination aus verschiedenen Faktoren zum rasanten Abschmelzen der Gletscher in diesem Sommer. Normalerweise reflektiert eine hohe Schneedecke das Sonnenlicht und schützt das Eis vor der Sonneneinstrahlung. Doch der Winter 2021/22 brachte relativ wenig Schnee. Die schützende Schicht war somit dünner als sonst und das Eis schmolz schneller. Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch vergleichsweise hohe Temperaturen im Frühjahr und durch das Phänomen Saharastaub. Der dunkle Staub legte sich auf die Eis- und Schneemassen, wodurch sich die Oberfläche noch stärker erwärmte – wie bei einem schwarzen T-Shirt, das die Wärme anzieht.

Berge verlieren Halt und Stabilität

Hinzu kommt ein anderes Phänomen: Durch den Klimawandel schmelzen nicht nur die Gletscher, sondern auch der Permafrost taut. Im Inneren der Berge liegt die Temperatur meist unter dem Gefrierpunkt. Das bedeutet, dass das Eis das Gestein wie Zement zusammenhält. Doch je stärker der Permafrost nun taut, desto instabiler werden die Berge. Experten*innen rechnen damit, dass deshalb im Hochgebirge künftig Felsstürze und Lawinen aus Schlamm und Geröll, sogenannte Muren, zunehmen werden. 

Auf der Zugspitze, dem höchsten Berg Deutschlands, hatten Geolog*innen schon im Jahr 2007 den Gipfel mit Messinstrumenten ausgestattet, die permanent die Gesteinstemperaturen überwachen. Das Ergebnis der vom Bayrischen Landesamt für Umwelt veröffentlichten Studie: Der Eiskern im Berginneren wird immer wärmer. Im vergangenen Jahrzehnt stieg die Temperatur im Gestein auf minus 0,73 Grad Celsius. Die Forscher*innen gehen derzeit davon aus, dass der Berg bis zum Jahr 2040 nicht mehr gefroren sein wird. Wenn der Boden sich dann anfängt zu setzen, sind Steinschläge oder Hangrutschungen eine realistische Gefahr. 

Mit dem Gletscherschwund in den Alpen verändern sich nicht nur ganze Landschaften. Auch die Rolle als größtes Süßwasserreservoir Europas steht auf dem Spiel. Denn Gletscher und Schneefelder speichern enorme Mengen an Wasser und geben sie anschließend wieder frei. Im Winter sammeln sich die Niederschläge in Form von Schnee. Im Frühjahr und während der Sommermonate schmilzt er allmählich und speist kleinere Bäche, die talwärts fließen. Viele große, europäische Flüsse entspringen in den Höhenlagen der Alpen – wie zum Beispiel der Rhein, der Po, die Donau oder die Rhone. Ziehen sich die Gletscher also immer weiter zurück oder verschwinden in absehbarer Zeit sogar komplett, hat das auch Folgen für die Wasserversorgung von Städten und Gemeinden entlang dieser Flüsse.

Künstliche Beschneiung als letzter Ausweg?

Das Abschmelzen der Gletscher zu stoppen, gleicht einer Herkulesaufgabe. Vielmehr geht es darum, diesen Trend zu verlangsamen. Auf dem Morteratschgletscher im Schweizer Kanton Graubünden soll mit einer Versuchsanlage der Gletscher künstlich beschneit werden, um das Eis zu schützen und die Lebensdauer zu verlängern. Dafür werden in einem ersten Schritt sieben Schneiseile mit einer Länge von bis zu einem Kilometer zwischen den Bergflanken über die Eis- und Schneemassen gespannt. 

Daran befestigt sind Wasserleitungen mit Sprühdüsen. Das Beschneiungssystem wird von Schmelzwasser eines weiter oberhalb liegenden Gletschers gespeist. Der Vorteil: Für den gesamten Prozess wird kein Strom benötigt. Aufgrund des Gefälles funktioniert die Schneeproduktion ausschließlich mit natürlichem Wasserdruck. Ob dieser Plan am Ende aufgeht, muss sich in der Praxis erst noch herausstellen. Das Projektteam verspricht sich jedenfalls, mit dieser Technik das Abschmelzen um 30 bis 50 Jahre verzögern zu können.

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BR | Gletscher: Wie steht es um den Permafrost in der Zugspitze?

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