Autofreie Innenstädte: Kann das funktionieren?

Agenda 2030 | 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung:

In Ballungszentren geht es oft langsam voran. Staus und lange Wartezeiten aufgrund überfüllter Straßen gehören vielerorts zur Tagesordnung. Städte befassen sich deshalb zunehmend damit, wie sie das Verkehrsaufkommen reduzieren können. Welche potenziellen Lösungsmöglichkeiten gibt es dafür? Und wie bewähren sich die Ideen in der Praxis? Eine Zusammenfassung zum „Internationalen Autofreien Tag“ am 22. September 2024.  

Nahezu alle Großstädte auf der Welt ächzen unter dem zunehmenden Verkehr. Allein in New York standen Autofahrer*innen im Jahr 2023 durchschnittlich 101 Stunden im Stau. Die Plätze dahinter belegen London mit 99 und Paris mit 97 Stunden Zeitverlust im Berufsverkehr. Dies geht aus einer Analyse des Verkehrsdienstleisters Inrix hervor, bei der das Stauaufkommen in mehr als 1.000 Großstädten in 50 verschiedenen Ländern untersucht wurde.

Deutsche Städte rangieren in dieser Rangliste im Mittelfeld. In Berlin brauchten Autofahrer*innen die meiste Geduld. Insgesamt kam es dort im Schnitt zu 55 Stunden Verzögerung. Es folgen München, Stuttgart und Köln. Was auffällt: trotz Home-Office haben weltweit in 78% der analysierten Städte die Staus im Jahr 2023 zugenommen. Der Trend zum hybriden Arbeiten zeigt sich in geänderten Fahrtzeiten: viel mehr starten ihre Fahrt nicht mehr morgens und nachmittags zu den gewohnten „Rush Hours“, sondern zwischen 10 und 16 Uhr.
 

Die INRIX-Studie zeigt außerdem, dass Staus an den schlimmsten Verkehrshotspots in Deutschland Autofahrer in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich 47,6 Milliarden Euro kosten werden. Stau kostet also nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld.

(https://inrix.com/blog/2023-global-traffic-scorecard/)

Trotz Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und dem Ziel einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung bleibt das Auto für einen Großteil der Bevölkerung in Deutschland das bevorzugte Fortbewegungsmittel. Dies belegen auch die Ergebnisse einer vom „Center of Automotive Management“ in Bergisch Gladbach durchgeführten und im Sommer 2022 veröffentlichten Umfrage. Mehr als 40 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass sie auf das Auto angewiesen sind. Weitere 27 Prozent halten den eigenen Pkw für „sehr wichtig“.

Weniger Verkehr, mehr Lebensqualität

In den Städten findet allerdings mehr und mehr ein Umdenken statt. Jahrzehntelang standen bei der Planung von Verkehrswegen und Parkmöglichkeiten die Bedürfnisse von Autofahrer*innen im Vordergrund. Nun arbeiten Verkehrsplanende verstärkt an zukunftsfähigen Mobilitätskonzepten, die eine geeignete Alternative zum Auto darstellen sollen. Das Ziel: weniger Verkehr in Innenstädten und damit weniger Lärm, Abgase, Feinstaub und andere Schadstoffe, die die Lebensqualität beeinträchtigen. 

Ein Instrument, das häufig diskutiert wird und mancherorts zum Einsatz kommt, sind autofreie Zentren und Wohngebiete. In Barcelona und Ljubljana zum Beispiel sind einzelne Bezirke für den Durchgangsverkehr gesperrt. Auch in Deutschland gab es bereits einige Pilotprojekte. In Mannheim etwa war die Hauptverkehrsachse durch die Innenstadt für Fahrzeuge ein Jahr lang nicht passierbar. Die Stadtverwaltung wollte damit mehr Platz für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen schaffen und die Aufenthaltsqualität durch Außengastronomie und andere Freizeitangebote steigern. Bürgermeister Ralf Eisenhauer bewertete die Testphase zwar als Erfolg und sieht in diesen verkehrsberuhigten Zonen Potenzial, doch im Frühjahr 2023 beendete die Stadt den Versuch. Viele Einzelhändler*innen mussten Umsatzeinbußen hinnehmen und hatten daraufhin mit Klagen gedroht.

Autofreie Zonen: Verkehrsaufkommen legt sich auch in angrenzenden Straßen

Das Beispiel aus Mannheim verdeutlicht die Kontroversen um autofreie Zonen. Entgegen der Befürchtung von Kritikern, dass sich der Verkehr lediglich verlagert, zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) basierend auf 30 europäischen Pilotprojekten, dass der Verkehr im umliegenden Straßennetz tatsächlich um 25 bis 69 Prozent zurückgeht. Die Forscher schlussfolgern, dass autofreie Zonen die gewünschte Wirkung erzielen. 
Zudem gewinnt der Radverkehr an Stellenwert. Häufig sind Radfahrende im dichten Verkehr auf schmalen, farbig markierten Schutzstreifen am rechten Fahrbahnrand unterwegs. Die fehlende Sicherheit schreckt viele ab, im Alltag aufs Rad umzusteigen. In einer autofreien Zone fühlt man sich einfach sicherer.

Mehrere Studien zeigen außerdem, dass Fußgängerzonen den Umsatz in Geschäften steigern können, da Fußgänger*innen und Radfahrer*innen tendenziell häufiger und mehr ausgeben als Autofahrer*innen. Zudem steigert die Reduzierung von Autoverkehr und Parkplätzen die Lebensqualität und damit auch den Wert von Immobilien in diesen Gebieten.

(https://www.euronews.com/next/2023/09/21/what-are-the-economic-benefits-of-car-free-cities)

Fehlte es einem Großteil der Bevölkerung in den zurückliegenden Jahren noch an Akzeptanz, den Autoverkehr aus Innenstädten zu verbannen, so scheint sich der Trend derzeit umzukehren. Jüngsten Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Energie-Agentur zufolge wünschen sich mehr als 60 Prozent der Befragten für die Zukunft autofreie Städte in Deutschland und damit ein Plus an Lebensqualität.

Angebote für den Unterricht:

Nachhaltig durchs Jahr

Wer die 3malE-Kalenderseiten auf einer Reise durchs Jahr durchblättert, kann monatlich spannende Infos rund um Umwelt- und Klimaschutz entdecken.

DER SPIEGEL | Verkehrswende in der Stadt: Wie geht es ohne Auto?

{{ totalQuantity }}

Ihre Leihprodukte

  • {{ product.name }}
    Anzahl: {{ product.quantity }}
    Wunschtermin: {{ product.schedule }}
    {{ getPriceWithQuantity(product, true) }}