Eisbären müssen sich nicht vor natürlichen Feinden in Acht nehmen. Im Gegenteil: Sie stehen an der Spitze der Nahrungskette. Denn mit bis zu 1.000 Kilogramm Gewicht zählen sie zu den größten Raubtieren an Land. Selbst eisige Temperaturen von weit unter minus 50 Grad Celsius machen ihnen nichts aus. Der wärmende Pelz und eine knapp zehn Zentimeter dicke Fettschicht ermöglicht den Tieren das Überleben in dieser rauen Umgebung.
Doch in den zurückliegenden Jahren schrumpfte ihr Lebensraum rapide. Eisbären sind in der Polarregion rund um den Nordpol beheimatet. Ihr Jagdgebiet erstreckt sich sogar bis nach Grönland sowie an die Küsten von Kanada, Norwegen, Russland und Alaska.
Um dorthin zu gelangen, bewegen sich Eisbären über das sogenannte Packeis fort. Dieses besteht aus Eisschollen, die sich durch die Meeresströmung so dicht zusammenschieben, dass eine nahezu geschlossene Eisdecke entsteht. Wenn in den Wintermonaten die Packeisfläche wächst, wandern die Eisbären südwärts in Richtung dieser Küstenregionen. Dort sind die Jagdbedingungen für sie optimal, um sich Fettreserven für den Sommer anzulegen. So lauern sie beispielsweise an den wenigen Löchern in der Eisfläche, um ihre Hauptnahrung zu jagen: Robben. Wenn sie zum Luftholen an die Wasseroberfläche auftauchen, schlagen die Eisbären mit ihren Tatzen zu und ziehen sie aus dem Meer.
Das Problem: Aufgrund des Klimawandels und der globalen Erderwärmung geht das Packeis immer weiter zurück. Dadurch verkleinert sich das Jagdrevier der Eisbären: Das Eis friert im Winter später und schmilzt im Frühsommer früher wieder ab. Wege, die den Eisbären lange Zeit als Brücke zur Beutejagd dienten, sind nun häufig abgeschnitten. Die Eisbären kommen somit nicht mehr zu ihren Winterjagdrevieren oder stranden auf dem Festland, wenn sie sich vor der eintretenden Schmelze nicht rechtzeitig auf den Rückweg zum Nordpol aufmachen.
Der Klimawandel und der Rückgang des Packeises schränken das Leben der Eisbären also massiv ein. Zwar können Eisbären Strecken von mehreren Hundert Kilometern schwimmend zurücklegen, um Gegenden mit genügend Eis zu erreichen, doch die Distanzen werden immer länger, was den ohnehin ausgehungerten Tieren umso mehr zusetzt. Gerade junge Eisbären, die nicht auf die vollen Fett- und Energiereserven zurückgreifen können, drohen deshalb an Unterkühlung oder Erschöpfung im Wasser zu sterben.
Laut Forscher*innen des Arctic Monitoring and Assessment Programme (AMAP) hat sich die Durchschnittstemperatur in der Arktis, dem Lebensraum der Eisbären, im Zeitraum von 1971 bis 2019 um 3,1 Grad Celsius erhöht. Damit erwärmt sich die nördliche Polarregion deutlich schneller als der restliche Planet. Klimaexpert*innen schätzen sogar, dass die Temperaturen in der Arktis zukünftig doppelt so schnell ansteigen werden wie die globale Durchschnittstemperatur. Dies könnte dazu führen, dass die Arktis bis Mitte des Jahrhunderts im Sommer eisfrei ist und nur noch im Winter zufriert.
Auch aktuelle Aufzeichnungen des Norwegian Meteorological Institute zeigen, dass das Eis in der Arktis in den vergangenen mehr als 40 Jahren sowohl im Winter als auch im Sommer weniger wird. Als Beschleuniger fungiert unter anderem der sogenannte Albedo-Effekt. Normalerweise reflektieren Eis und Schnee ein Großteil der Sonnenstrahlen zurück in die Atmosphäre. Ziehen sich die Eismassen rund um den Nordpol jedoch immer weiter zurück, fehlt dem Nordpolarmeer sein Schutzschild. Das dunkle Wasser nimmt – ähnlich wie ein schwarzes T-Shirt – mehr Sonnenenergie auf und erwärmt sich Stück für Stück. Dadurch schmilzt auch das restliche Eis immer weiter zusammen und die Temperaturen steigen.
Doch was bedeutet diese Entwicklung nun für die Eisbärpopulationen? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Genaue Zahlen, wie viele Eisbären noch auf der Erde leben, existieren nicht. Schätzungen gehen derzeit von 20.000 bis 30.000 Tieren aus. Die Umweltschutzorganisation WWF warnte jedoch kürzlich, dass bis zum Jahr 2050 zwei Drittel davon vom Aussterben bedroht sind. Auch kanadische Forscher*innen der Universität in Toronto skizzierten dieses Bild im Jahr 2020 auf Basis eigener Untersuchungen. Sie kamen zu dem Schluss, dass das Überleben der Eisbären in der Arktis über das Jahr 2100 hinaus nicht mehr garantiert ist, wenn weiterhin dieselbe Menge an Treibhausgasemissionen freigesetzt wird wie aktuell.
Doch es gibt auch positive Nachrichten. In Südostgrönland ist ein amerikanisches Forschungsteam auf eine neue Eisbärpopulation gestoßen, die anscheinend besser mit den steigenden Temperaturen auf der Erde umgehen kann. Anhand von Bewegungsprofilen ermittelte das Team, dass die Eisbären kein Packeis brauchten, um sich auf Nahrungssuche zu begeben. Die Tiere hielten sich stattdessen am Süßwassereis von Gletscherausläufern auf. Hinzu kommt: Die Eisbären verbrauchten bei ihrer Beutejagd weniger Energie, da sie deutlich kürzere Distanzen zurücklegten als ihre Artgenossen in anderen Regionen. Kommen Eisbären nach Angaben der US-Forscher*innen in Nordostgrönland pro Jahr auf eine Strecke von mehr als 2.000 Kilometern, sind es bei der Population in Südostgrönland nur circa 400 Kilometer.
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